Einige Kommentare auf diesem Blog werfen die Frage auf, ob nicht die Fahrt mit dem Frachtschiff eine genauso dreckige Angelegenheit sei wie eine Flugreise. Daher möchte ich die CO₂ – Bilanz meiner Afrika-Reise, die ich bis jetzt als ‚gefühlt’ niedriger vorausgesetzt habe, noch mal genau in Zahlen ausrechnen.
In der Tat sind Frachtschiffe keine wirklichen Sympathieträger. Es sind die unverzichtbaren Ameisen des globalen Kapitalismus: auf ihrem Rücken transportieren sie 90 % des Welthandels. Das Hafengebiet in Antwerpen ist eine Wüste aus Asphalt, Lagerhallen, Parkplätzen, Kränen und Containern – einer der unromantischsten und fußgängerfeindlichsten Orte, die mir so spontan einfallen. Frachtschiffe sind Dreckschleudern: Sie fahren größtenteils mit Schweröl, bei dessen Verbrennung Feinstaub, Schwefeldioxid und andere ungute Stoffe ausgestoßen werden. Außerdem ist die weltweite Handelsschiff-Fahrt pro Jahr für 1,12 Mrd. Tonnen CO₂ verantwortlich. Das klingt erstmal ganz schön viel. Doch beim Vergleich mit dem Flugzeug oder dem Zug wird deutlich, dass das Schiff in Bezug auf Treibhausgase deutlich besser abschneidet. Laut … fallen pro transportiertem Kilo auf 1000 km je 35 g CO₂ an. Wenn ich mich plus mein Gepäck mit großzügigen 100 kg veranschlage, verursache ich auf einer Reise von 5000 Kilometern ca. 17,5 kg CO₂. Das erscheint mir unglaublich wenig, doch die Daten stimmen in der Größenordnung mit den Angaben überein, die auf der Seite http://www.langsamreisen.de für Frachtschiffreisen berechnet werden (Link siehe unten).
Also fallen an:
Zugreise von einem kleinen Ort bei Bremen bis Antwerpen: 18 kg CO₂
Frachtschiffreise Antwerpen – Cotonou: 17,5 kg CO₂
Flug Accra – Madrid: 1 t CO₂
Busreise Madrid – Duisburg: 45 kg CO2
Zugreise Duisburg – kleiner Ort bei Bremen: 11 kg CO₂
(Ich hatte eigentlich vor, mit dem Bus bis nach Hannover zu fahren, doch da mein Bus vor dem Duisburger Hauptbahnhof in einen Unfall verwickelt war, bin ich dort auf den Zug gestiegen, da ich es sonst an dem Tag nicht mehr nach Hause geschafft hätte…)
INSGESAMT: ca. 1,1 t CO₂ (im Vergleich zu 3 t CO₂, die ein Hin- und Rückflug zwischen Frankfurt/Main – Accra verursacht hätte)
Ich habe mich nie zu der Behauptung hinreißen lassen, dass ich mit meiner Reise der Umwelt in irgendeiner Weise einen Dienst erweise. In vergleichbaren Blogs über Land- und Seereisen taucht öfter die Idee auf, dass die reisende Person Emissionen ‚einspare’ oder das ‚Klima schütze’ (siehe z.B. http://www.beagleybrown.com/carbon-offsetting-vs-container-ships/comment-page-1/#comment-2950 oder https://molinagosch.wordpress.com/meine-busreise-in-den-irak/) Dies gilt aber nur im Vergleich mit einer potentiellen Flugreise. Im Vergleich zum Zuhause-Bleiben ist natürlich jede Art der Fortbewegung, die nicht durch eigene Kraft geschieht, ein Plus an Emissionen. In meinem Fall: ich habe nicht 1,9 Tonnen CO₂ ‚gespart’, sondern 1,1 Tonne in die Luft gepulvert – die Hälfte von der Menge, die ich jährlich pro Kopf verursachen darf, um nachhaltig zu sein.
Ich habe gerade eine Rechenaufgabe gelöst. Mir geht es mir bei der Reise aber nicht ums Rechnen, oder um Zahlen. Mir ist wichtig: wenn ich schon in die Ferne reise, dann will ich mir dafür Zeit nehmen. Meine Reise war langsam, teuer und umständlich. Das ist in Ordnung so. Denn für mich ist eine Fernreise keine Selbstverständlichkeit, nichts, was ich jedes Jahr in der ganz normalen Urlaubszeit einbauen kann. Mir geht es nicht um eine Tonne CO₂ mehr oder weniger. Es geht mir darum, über diese Reise mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Und einen Diskurs zu schüren, in der die Selbstverständlichkeit des Fliegens einen Knacks bekommt.
Quellen:
„CO2-Emissionen der Schifffahrt bisher stark unterschätzt“, Greenpeace-Redaktion (13.02.2008); http://www.greenpeace.de/themen/klima/nachrichten/artikel/co2_emissionen_der_schifffahrt_bisher_stark_unterschaetzt/
http://www.co2-emissionen-vergleichen.de/Lebensmittel/Transport/CO2-Transport-Lebensmittel.html
http://www.langsamreisen.de/frachtschiffreisen/europa-afrika/nordeuropa_suedafrika/
Die Emissionen meiner Zug- und Busfahrten habe ich mit Hilfe von http://www.koordinaten.de/online/stadt_entfernung.shtml und https://www.prima-klima-weltweit.de/co2/kompens-berechnen.php#rechner berechnet. Die Angaben zu den Emissionen der Flugreise beziehen sich auf den Rechner der Atmosfair-Seite.